
DC Comics
Watchmen ist eine Geschichte über Ohnmacht. Sie handelt von Superhelden, die ihrem Namen nicht gerecht werden, weil sie das moralisch Falsche tun oder es nicht besser können, weil die Umstände es nicht zulassen. Und selbst wenn doch, dann können sie nicht handeln. Die Minutemen lösen sich auf, weil sie einsehen, dass sie nichts bewirken. Ihre Kostüme verleihen ihnen keine Kräfte, im Gegenteil: Am Beispiel Dollar Bill zeigt sich, dass ein Cape tödlich sein kann. Nite Owl gibt auf, weil er nach dem Erscheinen von Dr. Manhattan wie ein albernes Auslaufmodell wirkt. Der Comedian erteilt den Crimebusters eine Absage, weil Superhelden der wahren Herausforderung der Gegenwart und nahen Zukunft nicht gewachsen sind: der nuklearen Auslöschung. Ozymandias wird angesichts dessen zum Massenmörder, weil das immer noch das kleinere Übel gegenüber dem Weltuntergang darstellt. Am Ende muss aber selbst der nahezu allmächtige Dr. Manhattan den Rückzug antreten, weil er einsieht, dass er den Weltfrieden auch nicht anders sichern kann.

Watchmen-Vorbilder von Charlton: Blue Beetle, Captain Atom, Nightshade, Question.
Von Ohnmacht handelt auch Doomsday Clock #9. Nach der großen Desillusionierung von Ozymandias und Rorschach (Reggie Long, Doomsday Clock #7) sind nun die Helden des DC-Universums an der Reihe. Nachdem sie herausgefunden haben, dass Firestorms Explosion vom Mars ausgegangen ist, fliegen sie mit Raumschiffen dorthin und finden Dr. Manhattan vor, der auf sie wartet. Über ganze vier Seiten wird ihre Reise in großen Panels präsentiert, drei davon nehmen die Innenansichten der Raumschiffe ein: die Justice League, die New Gods, Green Lanterns, die Metal Men, die Justice League Dark, die Doom Patrol, die Batman Family und die Outsiders sind unterwegs. (In einem Panel sogar die Helden aus dem Hause Charlton, die Pate für Watchmen standen: Blue Beetle, Question, Nightshade und Captain Atom.)

Schurkenparade: Guy Gardner versucht, Dr. Manhattan zu beeindrucken.
Die beiden größten Helden, Superman und Batman, sind bewusstlos und erholen sich von ihren Verletzungen aus Moskau. Batman erwacht zuerst auf. Er bezweifelt, dass die anderen auf der richtigen Spur ist. Doch bis seine Nachricht den Mars erreicht, ist es zu spät: Das Großaufgebot der Helden konfrontiert Dr. Manhattan.

Genug geredet: Guy Garnder lässt Taten folgen.
Green Lantern Guy Gardner führt ihm eine Seite lang vor, wen sie bereits besiegt haben: Darkseid, den Anti-Monitor, Doomsday, Sinestro, Brainiac etc. Jon zeigt sich unbeeindruckt. Guy schlägt ihn. Zuerst denkt er, er habe Jon getötet, aber dann nimmt dieser Guy den Ring ab und zerstört ihn mühelos.

Die mächtigste Waffe des Universums ist machtlos.
Auch die Magie von Zatanna und Etrigan stellt er als nichtig adar:
„You all believe you’re wielding magic. I must perform a deeper analysis, but I see this power you harness is in reality the scraps of creation. Like random errors in computer code, discarded and forgotten…left to be picked up and used by those who also find themselves discarded and forgotten.“
Dr. Manhattan verwendet die Energie gegen die Helden selbst. Auch alle anderen Helden scheitern mit ihren Angriffen. Dr. Manhattan zeigt Firestorm (Ronnie Raymond), dass der Professor, der mit ihm verschmolzen ist, die Fusion verursacht hat, um ihn von innen heraus zu studieren. Warum, fragt Firestorm. „Even hope decays“, antwortet Jon im Sinne seiner neuen Überzeugung, dass alles einmal endet. Am Ende führt Captain Atom (Vorbild für Dr. Manhattan) eine Explosion herbei. Jon desintegriert, fügt sich aber sofort wieder zusammen und fragt die anderen: „What are you hoping to accomplish?“ Die Frage bleibt unbeantwortet. Die gesamte Sequenz wirkt sinnlos.

Das Original schlägt zurück: Captain Atom gegen Dr. Manhattan.
Auf der Erde bietet Lex Luthor Lois Lane seine Hilfe an. Er hat ihr die Wochenschau über die Justice Society of America geschickt, die aus der Geschichte getilgt wurde. Er weiß auch vom Verschwinden von Wally West. Sie misstraut ihm. Er gibt ihr eine Waffe als Vertrauensbeweis. Gleichzeitig hält Wonder Woman eine Rede vor den Vereinten Nationen gegen das herrschende Klima der Lügen, der Angst und des Extremismus. Sie erklärt, dass alle Beteiligten verantwortlich dafür seien. In dem Moment bricht Black Adam mit Giganta und Creeper durchs Dach und gefährden die Friedensbotschaft. Seneca kommentiert am Ende: „Wherever there is a human being, there is an opportunity for crisis.“
Der Titel „Crisis“ hat für die Geschichte mehrere Bedeutungen, denn im DC-Universum hat es bereits mehrere Events mit diesem Begriff im Titel gegeben: angefangen bei der Crisis on Infinite Earths (1985-1986), über die Identity Crisis (2004), die Infinite Crisis (2005-2006) und Final Crisis (2008-2009) bis hin zu Heroes in Crisis (2018-2019). Auch deshalb führt Guy Gardner diese Retrospektive der Superschurken auf, gegen die sich die Helden bereits bewährt haben. Nun aber finden sie in Dr. Manhattan einen echten Gott, gegen den sie nicht ankommen. Ihre Kräfte sind wie ihre Bemühungen vergebens. Sie wirken so lächerlich wie einst die Minutemen und ihre Nachfolger im Paralleluniversum.

Doomsday Clock #9 Variant (DC Comics)
Das ist nichts als eine „Crisis“, eine Krise ohne Zusatz, denn es ist die ultimative Krise. Nicht nur des Superheldentums angesichts ihrer Ohnmacht, sondern auch auf der Erde: Während die Helden auf dem Mars gegen einen unbesiegbaren Gegner kämpfen, den sie nicht verstehen, der sie nicht angegriffen hat und für sie auch keine unmittelbare Bedrohung darstellt, nutzen die wahren Schurken auf der Erde die Gelegenheit aus, den fragilen Frieden zu gefährden und in einen Krieg umkippen zu lassen, während der Schurke Lex Luthor als Hoffnungsträger dasteht, weil er – neben Batman – als einziger zu begreifen scheint, was los ist.
Am Anfang des Kapitels erinnert Dr. Manhattan (beim Betrachten des Legion-Rings von Ferro Lad) noch einmal daran, dass diese Krise bald in der ultimativen Zerstörung enden könnte. Er sieht keine ferne Zukunft mehr, weil es keine geben könnte. Der Auslöser könnte sein anstehender Kampf mit Superman sein.