Watchmen 1.8: A God Walks into Abar

Dr. Manhattan maskiert sich als Dr. Manhattan (HBO).

Das Jahr 2009: Es ist mal wieder „Victory over Vietnam“-Day in Saigon. Jemand hat auf ein Dr. Manhattan-Graffiti einen gelben Penis gemalt. Das religiöse Staunen scheint sich zu verbrauchen. In dem Moment kehrt der Gott selbst auf die Erde zurück, als ein Mann im Anzug, der über die Straße geht und sich eine Dr.-Manhattan-Maske aufsetzt, passend dazu läuft aus dem Off eine Funk-Version von Gershwins Rhapsody in Blue. Er tritt in eine Bar, in der Polizistin Angela Abar alleine sitzt und Trübsal bläst – „A God Walks into Abar“.

Blasphemie in Vietnam: Dr. Manhattan-Graffiti. (HBO)

Dr. Manhattan tritt mit zwei Gläsern Bier vor Angela und fragt sie, ob sie morgen abend mit ihm ausgehen wolle. Sie weist ihn ab, auch wenn er ihr ein Bier mitgebracht hat, lässt ihn aber bei sich sitzen, als er errät, warum sie allein sitzt: weil sie ihrer Eltern gedenkt. Für sie ist „VVN Day“ nicht mit Sieg, sondern mit Verlust verbunden.

Angela Abar und Dr. Manhattan. (HBO)

Es beginnt ein langer Dialog, in dem Jon Angela erklärt, wer er ist, was er gemacht hat und was passieren wird. Sie glaubt ihm natürlich nicht und stellt kritische Fragen, etwa warum er Maske trage. Weil er nicht erkannt werden wolle, sagt er. Damit nimmt er bereits die Fassade von Cal vorweg, die er sich bald darauf gibt, um nicht aufzufallen und mit Angela ein normales Leben zu führen.

Dr. Manhattan in göttlicher Mission

„Is this a Zeus thing?“, fragt Angela und spielt damit auf die Verwandlungen des Gottes an, um Frauen zu verführen. Passenderweise erzählt ihr Dr. Manhattan, dass er die vergangenen 20 Jahre auf dem Jupitermond Europa verbracht hat. Europa ist zugleich der Name der Frau, die Zeus als Stier entführt und mit der er drei Kinder zeugt. (Auch Angela und Cal haben später drei Kinder, wenn auch adoptierte.)

Dr. Manhattan erschafft Adam und Eva. (HBO)

Auf Europa hat er, wie bereits im Comic angekündigt (Watchmen #12), Leben geschaffen – und zwar aus dem Nichts. Ein Biotop mit Pflanzen, Tieren, zwei Menschen, nackt wie ihr Schöpfer, wie Adam und Eva. Als Haus er für sie teleportiert ein Schloss von der Erde her. Dazu hören wir An der schönen blauen Donau, das bereits in 2001: A Space Odyssey zu hören war und wo ebenfalls der Jupiter eine Rolle spielt.

Vater und Sohn: Hans und Jon Osterman. (HBO)

In einer Rückblende wird klar, dass die beiden Menschen einem Paar nachempfunden sind, die Jon Osterman als Kind gesehen hat. Als Kind floh er mit seinem Vater aus Hitlerdeutschland nach Großbritannien, wo er Unterkunft in einem Schloss gefunden hat. Dabei wurde er zum ersten Mal Zeuge, wie Mann und Frau, in dem Fall Herr und Frau des Hauses, Leben erschaffen. Sie erwischen ihn dabei, erklären es ihm später als Akt der Liebe, schenken ihm eine illustrierte Bibel und zeigen ihm ein Bild von Adam und Eva. Jon kennt die Geschichten nicht, weil sein Vater Atheist ist. Schließlich nimmt ihm die Frau ein Versprechen ab: „Make it your purpose to create something beautiful.“ Dieses Versprechen erfüllt Jon auf Europa.

Inspiration aus der Bibel: Adam und Eva. (HBO)

Angela ist nicht überzeugt. Und auch nicht begeistert, denn sie ist kein Fan von Dr. Manhattan. Wegen seiner Intervention in Vietnam sind Angelas Eltern gestorben (Watchmen Episode 7): „A little boy watches his village burn, boy grows up, becomes a puppeteer, because he wants to hold the strings. He makes a bomb. That bomb kills my parents, 22 years ago, tonight.“

„I was trying to be what people wanted me to be“, sagt Jon. „A soldier, a superhero, a savior, and tried to do the right thing. If it is a consolation, I do regret it.“ Auf die Frage, warum er es getan habe, obwohl er gewusst haben müsste, dass er es bereuen würde, antwortet er: „Haven’t you ever done anything you knew you were gonna regret?“

Wieder einmal stellt sich Dr. Manhattan als Puppe dar, die an Fäden geführt wird. Das Schicksal ist vorherbestimmt, er ein Teil davon. Ähnlich wie bereits bei Laurie (Watchmen #9) erklärt er ihr, dass für ihn alles zeitgleich stattfindet: Vergangenheit und Zukunft. Er kennt ihre Geschichte, obwohl sie ihm erst später davon erzählen wird, und er weiß auch, dass sie zusammenkommen und Kinder haben werden. In zehn Jahren wird ihre Beziehung aber tragisch enden. Zwei Wochen später lässt ihn Angela im Leichenschauhaus einen Körper aussuchen, desen Form er dann annimmt.

Als Cal besucht er Adrian Veidt in Karnak, der die kleinen Squids züchtet und an zufälligen Orten auf der Welt herunterregnen lässt, um die Menschen an den Schrecken von 1985 zu erinnern und den Frieden zu wahren. Er ist frustriert über die fehlende Anerkennung. Also schickt ihn Dr. Manhattan in sein Eden auf Europa, wo zwei Menschen dazu geschaffen sind, Liebe zu schenken. Ein Paradies. Als Gegenleistung gibt Veidt ihm den Ring, der ihn seine Identität vergessen lässt, um ein normales Leben unter Menschen führen zu können. Der Gott zieht sein „Zeus-Ding“ durch.

Was war zuerst da: Henne oder Ei?

Dr. Manhattan erschafft Leben: ein Ei. (HBO)

Als Angela im Jahr 2009 um einen Beweis bittet, erschafft Dr. Manhattan Leben: In seiner Hand erscheint ein Ei. Das Symbol des Lebens tauchte bereits mehrmals auf: In Episode 1 schlägt Angela mehrere Eier auf, trennt sie und rührt die Eigelbe zu einem Smiley zusammen. Dabei erklärt sie das Prinzip des Eischnees, der nicht von Eigelb kontaminiert sein darf, um stabil zu bleiben. In Episode 2 kocht sich William Reeves Eier in ihrer Bäckerei. In Episode 4 haben die Clarks eine Eierfarm, Eier gehen zu Bruch, Eizellen sind unfruchtbar.

Für Dr. Manhattan wird das Ei zum Anlass zu erklären, dass er theoretisch seine Kräfte weitergeben könnte. In der Gegenwart (2019), nachdem Angela ihn aufgeweckt hat, macht er plötzlich Waffeln. „Watch the eggs“, sagt er und lässt eine Packung Eier aus dem Kühlschrank schweben. Angela ergreift sie und wirft sie wütend zu Boden. Sie erklärt ihm, dass dafür keine Zeit sei, weil die Seventh Kavalry im Anmarsch ist. Doch er sagt, er könne nichts dagegen tun. Und so kommt es auch: Auch wenn Angela und Jon die Kavalry abwehren, schaffen die Schurken es doch, Dr. Manhattan gefangen zu nehmen.

Die Untenrinnbarkeit vor dem Schicksal bekommt kurz zuvor eine noch paradoxere Wendung, als Cal William Reeves in der Vergangenheit aufsucht und die Angela der Gegenwart bittet, ihn zu fragen, woher er wisse, dass Jud Crawford ein Mitglied von Cyclops ist und eine Klansrobe in seinem Schrank hat. „Who is Jud Crawford?“, fragt Will. Da wird ihr klar, dass erst Angelas Frage Will zum Mord veranlasst hat. Was wiederum ein Anlass für eine Ei-Metapher ist, das alte Paradoxon: Was war zuerst da, Henne oder Ei? Wieder schließt sich ein Kreis, diesmal einer, bei dem man nicht sagen kann, wo Anfang und Ende ist. Wieder gilt: Nichts endet wirklich, weil es in Kreisen kein Ende gibt.

Im Grunde ist die gesamte Handlung der Episode ein Paradoxon: Sämtliche Ereignisse passieren, weil Dr. Manhattan weiß, dass sie passieren werden. Sie passieren, weil er sie nicht verhindert, oder gerade weil Angela versucht, sie zu verhindern. Das Resultat ist dasselbe.

Warum lässt sich Angela aber mit ihm ein, wenn sie weiß, dass alles mit einer Tragödie endet? „By definition, don’t all relationships end in tragedy?“ Damit überzeugt er sie. Sie sagt ihm das Date zu. „Why not?“ Die Aussage ist klar: Auch wenn alle Mühe vergeblich ist, auch wenn am Ende alles verloren geht, lohnt es sich, den Weg zu gehen.

Adrian Veidts Spiel

Hufeisen im Kuchen: Adrian Veidts Ausweg. (HBO)

Nach dem Abspann wird Adrian Veidt gefesselt und eingekerkert, weil er Europa verlassen will. „Why is heaven not enough?“, fragt ihn der Game Warden, als er ihm einen Kuchen zum siebenjährigen Jubiläum bringt. Er stellt sich als erster von Dr. Manhattan erschaffener Mensch heraus. „Heaven is not enough because heaven doesn’t need me“, sagt Veidt. Er sieht eher die Menschen auf der Erde als seine Kinder an, die seine Rückkehr erwarten.

Im Kuchen steckt ein Hufeisen, mit dem sich Adrian einen Ausweg freizugraben beginnt. Das Hufeisen hat ihm Phillips bereits in Episode 1 gereicht, was aber nach Veidts Aussage noch zu früh war. Es ist Teil eines Spiels, um Veidt zu unterhalten. Auch hier ist alles vorherbestimmt – und deshalb so langweilig für den Erfinder des Spiels. Daher hat er das Paradies leid, er sehnt sich nach einer Herausforderung.

>> Liste der Watchmen-Episoden

2 Gedanken zu “Watchmen 1.8: A God Walks into Abar

  1. Pingback: Watchmen 1.9: See How They Fly | Watching the Watchmen

  2. Pingback: Watchmen 1.2: Martial Feats of Comanche Horsemanship | Watching the Watchmen

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