Watchmen: Director’s/Ultimate Cut (2009)

Watchmen Poster

Warner Bros.

Watchmen galt lange als unverfilmbar. Es ist ein Werk, das so sehr an das Medium Comic gebunden ist, dass die Übertragung in ein anderes Medium einen großen Verlust bedeuten würde. Andererseits ist Watchmen nie nur ein Comic gewesen, sondern mit seinen Paratexten, den Auszügen aus Büchern (z. B. Under the Hood), Zeitungsartikeln, Briefen und Akten immer auch schon ein Werk, das in andere Medien ausstrahlt.

2009 hat Regisseur Zack Snyder das scheinbar Unmögliche gewagt und mit seinem Film gespaltene Reaktionen hervorgerufen. Die einen lobten die Werktreue, die Visualität, die Effekte, die anderen kritisierten die Komplexität, die explizite Gewalt und die Abweichungen von der Vorlage. Der Film war kein Kassenerfolg, er spielte nur wenig mehr ein, als er gekostet hat.

Was viele nicht wissen: Die Kinofassung ist deutlich kürzer als der Film, den Zack Snyder gedreht hat. Der Director’s Cut ist erst zehn Jahre später in Deutschland erschienen. Darin sind nicht nur 24 Minuten mehr Filmmaterial zu sehen. Im Ultimate Cut wurde auf Tales of the Black Freighter integriert, ein 26-minütiger Zeichentrickfilm, der den Comic-im-Comic adaptiert. Außerdem gibt es als Bonus eine 38-minütige Mockumentary zu Under the Hood.

Der perfekte Vorspann

Snyder hat also nicht nur Watchmen verfilmt, er hat das Werk so umfassend wie möglich in Film übersetzt. Und das ist ihm überwiegend gelungen. Das zeigt sich bereits an der ersten Seite. Der Zoom vom Button aufwärts zur Wohnung des Comedian bietet sich für eine Kamerafahrt an, die dank digitaler Technik perfekt umgesetzt ist. Der Vorspann, der die Geschichte der Minutemen sowie des 20. Jahrhunderts in mehreren Slow-Motion-Einstellungen und zu Bob Dylans „The Times They Are A-Changin'“ erzählt, ist ein Meisterwerk der Verdichtung und einer der effektivsten Vorspanne überhaupt.

Watchmen kommt ohne Stars aus, schafft es aber trotzdem, mit einer perfekten Besetzung zu überzeugen, allen voran Jackie Earle Haley als Rorschach und Jeffrey Dean Morgan als Comedian. Die Kostüme der Helden sind, wie bei Superheldenverfilmungen üblich, weniger grell und modernisiert, um unfreiwillige Komik zu vermeiden. Snyder wählt insgesamt eine viel dunklere Optik als das Comic mit seiner grellen Kolorierung, wie sie in den 80ern üblich war.

Ein alternatives Ende

Bei aller Werktreue muss der Film, wie jede Adaption, Änderungen vornehmen. Was man Snyder vorwerfen kann, ist oft ein Mangel an Subtilität. Eine nicht nachvollziehbare Entscheidung ist etwa, dass die Helden sich selbst als Gruppe „Watchmen“ nennen. Im Comic kommt dieser Begriff allein in den Graffiti „Who watches the Watchmen?“ vor – er ist keine Eigenbezeichnung.

Der auffälligste Unterschied ist das Ende des Films: Während im Comic Ozymandias ein falsches Alien erschafft, das er nach New York teleportiert, um mit einem gemeinsamen Feind die Menschheit zu vereinen, missbraucht er im Film Dr. Manhattan, um in mehreren Metropolen auf der Welt Explosionen auszulösen und ihn als Verantwortlichen vorzuschieben. Das ergibt aus erzählökonomischer Sicht Sinn, denn man muss nicht weiter ausholen, um die Erschaffung des Aliens zu erklären.

Außerdem war der Alien-Plot von Anfang an umstritten. Da die Idee zu sehr an die Outer-Limits-Episode „The Architects of Fear“ erinnerte, wollte DC-Redakteur Len Wein Alan Moore dazu bringen, davon abzulassen. Wenn überhaupt kann man Moore dafür kritisieren, dass dieser Teil seiner Geschichte weit hergeholt ist und zu sehr als Mad-Scientist-Pulp-Fiction aus dem sonst ambitioniertem Werk herausragt.

Übertriebene Gewalt

Was man bei Snyder kritisieren kann, ist seine Neigung, Actionszenen zu übertreiben. Wenn Gewalt angewendet wird, ist sie noch drastischer als im Comic. Snyder rechtfertigt sich damit, dass er ungeschönt die Auswirkung von Gewalt zeigen will, aber nachdem Dr. Manhattan Menschen explodieren lässt, trägt es nichts zur Geschichte bei, auch noch ihre Überreste zu zeigen, die an der Decke hängen.

Störend wird das gerade in der Szene, in der Rorschach den Kindesmörder tötet, denn da geht der Comic subtiler vor: Statt ihm den Schädel mit einem Beil zu zerhacken, gibt Rorschach dem mutmaßlichen Mörder eine Säge, steckt sein Haus an und wartet, ob er es schafft zu entkommen.

In Karnak greifen Rorschach und Nite Owl Ozymandias gleich mehrfach an, während im Comic Bubastis dafür sorgt, dass sie sich nicht mehr demütigen lassen müssen. Hier versucht aber Snyder, die Dialoglastigkeit seiner Story mit Action aufzulockern.

Eine andere Szene wiederum ist zwar drastischer, ergibt aber mehr Sinn: Als Figures Komplizen Rorschachs Zellentür aufsägen wollen und einer von Rorschach an die Tür gefesselt wird, sägt der andere ihm die Arme ab. Das ist zwar blutiger, aber zweckmäßiger, um an das Schloss heranzukommen. Bei Moore sticht er ihn bloß ab, sodass der Tote immer noch am Gitter hängen bleibt.

Menschelndes im Director’s Cut

Der Director’s Cut enthält weitgehend für die Handlung entbehrliche Szenen, wie etwa die Suche nach Dr. Manhattan auf dem Mars und das Verhör mit Laurie (die im Comic gar nicht vorkommen), andere aber transportieren viel von den menschlichen Aspekten des Comics: Es sind die Szenen am Zeitungsstand sowie die Ermordung von Hollis Mason. Letztere ist dem Comic nachempfunden, indem Bilder von Nite Owls ehemaligen Schurken gegengeschnitten sind, sodass sich Hollis zum letzten Mal in seiner alten Rolle bewähren darf. Wenn er mit der Nite-Owl-Statue erschlagen wird, muss aber auch hier Snyder mehr Schläge als nötig zeigen. Und auch der Entschluss der Knot-Tops, Hollis zu töten, passiert viel zu schnell.

Die Tales of the Black Freighter, die höchstens allegorisch mit der Handlung zu tun haben, stören im Ultimate Cut jedoch den Filmfluss und verlängern den Film unnötig. Hier erweist sich zu viel Werktreue als Problem, weil im Comic die Binnenerzählung und die Handlung ineinandergreifen und zum Teil parallel stattfinden. Im Film gibt es aber nur ein Nacheinander, sodass der Bezug der Animationsszenen sich nicht direkt erschließt.

Insgesamt ist daher eher der Director’s Cut (ohne die integrierten Black Freighter-Szenen) zu empfehlen statt des Ultimate Cuts (mit allem). Aber für Ungeduldige tut es auch die Kinofassung mit 162 Minuten. Wer den Film beim ersten Schauen nicht mochte, sollte ihm eine zweite Chance geben. In jedem Fall hilft es, die Vorlage zu kennen, weil man dann besser vergleichen kann, welche Änderungen gelungen sind. Aber auch so funktioniert der Film sehr gut, auch wenn er zuweilen sogar überambitioniert erscheint. Man muss den Film nicht mögen, aber seine Leistung geht weit über „gut gemeint“ hinaus.